Feuer und Flamme für den Naturschutz

BImA erhält UN-Dekade-Auszeichnung für Projekt der Wittstock-Ruppiner Heide

Bonn/Wittstock, 18. August 2017. Wenn die Heide brennt, dann ist das eine Auszeichnung als UN-Dekade-Projekt wert. Zumindest dann, wenn die biologische Vielfalt der Natur davon so sehr profitiert wie in der Wittstock-Ruppiner Heide. Hier hat die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) mit ihrem Geschäftsbereich Bundesforst durch kontrolliertes Brennen – bei gleichzeitiger Kampfmittelräumung – den Artenreichtum an Flora und Fauna auf dem größtenteils als Naturschutzgebiet ausgewiesenen Areal maßgeblich gefördert. Jörg Vogelsänger, Minister für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft des Landes Brandenburg, überreichte gestern BImA-Vorstandsmitglied Paul Johannes Fietz die Urkunde für das UN-Dekade-Projekt auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz Wittstock.

Jörg Vogelsänger (Zweiter von rechts) überreicht Paul Johannes Fietz (Zweiter von links) die Urkunde für das UN-Dekade-Projekt auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz Wittstock. Mit dabei Ute Steinke vom Bundesforstbetrieb Westbrandenburg und Landrat Ralf Reinhardt (Foto: BFB Westbrandenburg/BImA).

„Durch die fortlaufende Arbeit des Bundesforstbetriebes Westbrandenburg bleibt der Lebensraum seltener Tier- und Pflanzenarten Hektar für Hektar erhalten“, erklärte Umweltminister Jörg Vogelsänger bei seiner Ansprache zur Preisverleihung und betonte damit den hohen naturschutzfachlichen Wert, der von dem rund 12.250 Hektar großen Naturschutzgebiet Wittstock-Ruppiner Heide ausgeht.

Vorstandsmitglied Paul Johannes Fietz wies auf den Zusammenhang von militärischer Nutzung und dem Entstehen einzigartiger Naturgebiete hin: „Ohne die vorherige militärische Nutzung würden wir jetzt nicht auf dem größten zusammenhängenden Calluna-Heidegebiet Deutschlands stehen. Ohne die militärische Nutzung stünden wir allerdings auch nicht vor dem Problem der starken Kampfmittelbelastung.“ Es sei umso erfreulicher, dass der Bundesforstbetrieb (BFB) Westbrandenburg einen Weg gefunden habe, sowohl der Kampfmittelräumung als auch der Heidepflege in eindrucksvoller Weise gerecht zu werden. Sein Dank ging vorrangig an das Ministerium für Ländliche Entwicklung sowie an alle Partner, die durch ihre konstruktive Zusammenarbeit und durch kritisches Hinterfragen zum Optimieren der Prozesse und zum Gelingen des Projekts beigetragen hätten.

Ehemals militärisch genutzt

Die Wittstock-Ruppiner Heide mit ihrer biologischen Vielfalt und als eine der größten Heideoffenlandflächen Deutschlands lässt heute kaum noch erahnen, dass sie der sowjetischen Armee über 50 Jahre lang als militärischer Übungsplatz diente. Diese Zeit brachte der Liegenschaft die Bezeichnung „Bombodrom“ ein. Schätzungen gehen von etwa 1,5 Millionen Granaten, Bomben und Blindgängern auf der Fläche aus. Nach Protesten der Bevölkerung gegen eine weitere militärische Nutzung wurde die Liegenschaft 2011 an die BImA übergeben.

In Folge der militärischen Nutzung entstand bei Wittstock ein Gebiet mit außergewöhnlichem Naturschutzwert. Fernab von Besucherverkehr, Düngung oder Pflanzenschutz fanden hier viele seltene Tier- und Pflanzenarten ihre ökologische Nische. Ohne militärische Übung droht der Wald die Wittstock-Ruppiner Heide jedoch zu übernehmen; Kiefern und Birken konkurrieren mit der Heide um Platz und Licht. Um die Fläche als Heidelandschaft zu erhalten, muss der Gehölzaufwuchs regelmäßig reduziert werden. Diese Aufgabe setzt der BFB Westbrandenburg durch kontrolliertes Niederbrennen des unerwünschten Aufwuchses erfolgreich um.

Heidepflege und Kampfmittelräumung

Bei diesem „kalten Brennen“ läuft das Feuer sehr schnell über die Fläche; das schont die Bodenauflage und damit auch die dort siedelnden Lebewesen. Auf diese Weise wird der natürliche Lebensraum vieler seltener und geschützter Tierarten erhalten oder sogar neu geschaffen. Unter den zahlreichen wertgebenden Leitarten der trockenen Sandheiden befinden sich beispielsweise Zaun-eidechse und Schlingnatter, Vögel wie Heidelerche, Brachpieper, Ziegenmelker, Neuntöter sowie zahlreiche Insektenarten wie Feldgrille oder Purpurbär. Das turnusmäßige, kontrollierte Brennen ist nicht nur ein wirksames Instrument zum Regenerieren und zur Erstpflege überalterter Heidebestände, es ermöglicht zudem das visuelle Erkunden der Flächen auf vorhandene Kampfmittel. Nach dem Brennen lassen sich oberirdisch aufgefundene Kampfmittel bergen und vernichten. Mit seinem Projekt schlägt der BFB somit eine Brücke zwischen aktiver Heidepflege und Kampfmittelräumung.

Hohes Ziel gesetzt

In Abstimmung mit der Unteren Naturschutzbehörde hat sich der BFB Westbrandenburg das hohe naturschutzfachliche Ziel gesetzt, jährlich weitere 50 bis 200 Hektar – vorrangig überalterte Heideflächen – durch aktives kontrolliertes Brennen vor der Wiederbewaldung zu schützen, die Heidefläche und den Lebensraum möglichst dauerhaft zu erhalten und die von der alten, sehr trockenen Heide ausgehende Bandgefahr zu reduzieren. Damit dürfte der gesamte Komplex der oberirdischen Kampfmittelräumung mit gleichzeitiger Heidepflege in dieser Größenordnung in Deutschland wohl einmalig sein.

Wechselvolle Geschichte

Die Verleihung der UN-Dekade-Auszeichnung fand im Beisein von Vertretern der beteiligten Behörden, des Naturschutzes, der Projektpartner aus dem Bereich Kampfmittelbeseitigung, der Bürgermeister der Städte Neuruppin und Wittstock sowie der Direktorin der Amtsgemeinde Temnitz statt. Ralf Reinhardt, Landrat von Ostprignitz-Ruppin, hob die wechselvolle Geschichte des ehemaligen Truppenübungsplatzes hervor, dem nun friedlich genutzt für die Region eine ganz neue Bedeutung zukomme.