Frühe Bewohner im Münchner Norden
Mittelalterliche Siedlung samt Kirche und Gräbern entdeckt
München, 12. August 2024. Archäologische Voruntersuchungen stehen bei vielen Bauvorhaben der BImA fest im Zeitplan. So auch beim Neubau für das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) in Neuherberg/Oberschleißheim im Norden Münchens. Ein Archäologie-Team des bayerischen Landesamts für Denkmalpflege beobachtete im Frühjahr im Auftrag der BImA die Arbeiten zur Baufeldfreimachung ganz genau. Und stoppte die Bagger umgehend wieder: Auf der Heidefläche, auf der zuletzt allenfalls ein paar Zauneidechsen heimisch waren, lebten schon im 9. Jahrhundert Menschen – die eine Vielzahl Spuren hinterließen.
In Sichtweite der Allianz Arena durchsieben Archäologen das Baufeld für den Neubau des Bundesamtes für Strahlenschutz in Neuherberg bei München. (Foto: BImA/Angelika Rogler)
Im Jahr 1158 wird die Stadt München in einer Urkunde Kaiser Friedrich Barbarossas erstmals erwähnt. Und ungefähr zu dieser Zeit war offenbar auch das nördliche Münchner Umland als Lebensraum für die Menschen bereits äußerst attraktiv: Auf das 9. bis 13. Jahrhundert datieren die Archäologen die Funde auf dem Baufeld – es handelt sich um Hausgrundrisse, Öfen, Grubenhäuser, Erdkeller, Gräber und sogar den Grundriss einer Kirche. „Wir haben es hier tatsächlich mit den Überresten einer bisher unbekannten mittelalterlichen Siedlung zu tun. Das war auch für uns eine große Überraschung“, sagt Franka Neubert, die als Leiterin des Baumanagement-Teams im Geschäftsbereich Facility Management der BImA in München für den Neubau verantwortlich ist. Fast sechs Monate lang legten die Expertinnen und Experten auf dem Baufeld immer neue Siedlungsreste frei und hielten die BImA als Bauherrin und die künftige Nutzerin BfS dabei stets auf dem Laufenden.
Eindeutig eine Kirche – wenn auch im kleinen Format. Dass es an dieser Stelle eine Siedlung gab, war bislang völlig unbekannt. (Fotos: Archäologisches Büro Anzenberger & Leicht GbR)
Besonders aufschlussreicher Fund
„Wir haben selbst sehr viel gelernt. Dass man zum Beispiel heute noch nachweisen kann, dass eine heute runde, lehmige Stelle vor über 800 Jahren eine Grube zur Herstellung von Garn war, ist sehr spannend“, so Neubert. Aber nicht nur die Baufachleute der BImA, sondern vor allem die Archäologinnen und Archäologen selbst waren fasziniert und stürzten sich begeistert in die Arbeit. „Die Entdeckung dieser Siedlung hilft uns, die Geschichte der Stadt München und ihre Entwicklung besser zu verstehen“, sagt Dr. Jochen Haberstroh, stellvertretender Leiter der Abteilung Bodendenkmalpflege am Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege (BLfD) und ergänzt: „Frühmittelalterliche Siedlungsreste sind zuletzt aufgrund verstärkter Bautätigkeiten immer wieder gefunden worden, aber dieser Fund ist durch seine Fülle besonders aufschlussreich.“ Dass sich an dieser Stelle eine Siedlung mit einer Kirche im Zentrum befand, war bislang völlig unbekannt. Es fanden sich 20 Grabstätten mit zum Teil vollständig erhaltenen menschlichen Skeletten sowie Hinweise auf eine Grabstätte unterhalb des einstigen Kirchenbodens. Um das Jahr 1300 gaben die einstigen Bewohner ihre Siedlung aus noch unbekannten Gründen wieder auf.
Mittelalterliche Grabstätte: Sämtliche Funde werden genau dokumentiert und schließlich für die weitere Erforschung geborgen.
Grundsteinlegung im November
Die Sicherung der Funde auf der etwa 11.000 Quadratmeter großen Baufläche ist nur der erste Schritt zur Erforschung der circa 3000 Funde. Nun folgen die genauen Analysen der Bodenproben und Fundstücke im Labor, um der alten Siedlung möglichst viele ihrer Geheimnisse zu entlocken. Derweil können die Arbeiten für den Neubau endlich wieder starten. „Der Zeitverlust bei den Gründungsmaßnahmen von etwa einem halben Jahr durch die Funde ist verkraftbar. Wir haben natürlich parallel mögliche Erschließungsarbeiten und Ausführungsplanungen weitergeführt, sodass wir am 20. November auch Grundsteinlegung feiern können“, sagt Franka Neubert. Die BImA baut für das BfS auf einem grünen Forschungscampus ein hochmodernes Gebäude in Holzbauweise mit Laboren, Büros und Werkstätten. Etwa 200 Beschäftigte sollen hier künftig ihre Aufgaben für Strahlenschutz und Gesundheit bzw. Umwelt wahrnehmen. Auch das radiologische Notfallzentrum des Bundes wird künftig hier untergebracht.