„Man hat der BImA Korsettstangen angelegt“
Fachpodium diskutierte Verbilligungspolitik des Bundes
Bonn/München, 8. Oktober 2016. Auf dem Messestand der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) stand am zweiten Tag der Expo Real in München ein Thema im Fokus, das schon länger sehr kontrovers diskutiert wird: der Verkauf bundeseigener Liegenschaften. Politische Eingriffe haben den wirtschaftlich orientierten Verwertungsauftrag der BImA in den vergangenen Jahren aufgeweicht – um Flüchtlinge unterzubringen und Sozialwohnungen zu schaffen. Unter dem Titel „Erstzugriffs- und Verbilligungspolitik – Fluch oder Segen?“ diskutierte Dr. Jürgen Gehb, Vorstandsprecher der BImA, mit hochrangigen Gästen aus Politik, Wirtschaft und Kommunen über das Für und Wider dieser Entwicklung.
Näherten sich dem Thema „Verbilligungspolitik“ aus verschiedenen Perspektiven (von links): Moderator Andreas Schulten, Dr. Jürgen Gehb, Hilmar von Lojewski, Dr. Hans-Peter Uhl, Sebastian Remelé und Dr. Andreas Mattner. (Foto: BImA)
Die BImA ist gesetzlich dazu verpflichtet, nach kaufmännischen Grundsätzen zu handeln und Liegenschaften wirtschaftlich zu verwerten, die der Bund nicht mehr benötigt. „Durch viele modifizierende Regularien hat man der BImA inzwischen allerdings Korsettstangen angelegt“, sagte Dr. Jürgen Gehb auf der Münchener Immobilienmesse. Seine Gesprächspartner waren ZIA-Präsident Dr. Andreas Mattner, der Münchener Bundestagsabgeordnete Dr. Hans-Peter Uhl, Hilmar von Lojewski, Leiter des Dezernats Stadtentwicklung, Bauen, Wohnen und Verkehr beim Deutschen Städtetag, sowie Sebastian Remelé, Oberbürgermeister der Stadt Schweinfurt. Die Moderation übernahm Andreas Schulten, Vorstand der bulwiengesa AG.
Gesetzlicher Rahmen
Verschiedene Haushaltsvermerke ermöglichen es der BImA, Länder und Kommunen bei der Flüchtlingsunterbringung und der Schaffung von Sozialwohnungen zu unterstützen. Dr. Jürgen Gehb verwies auch auf die Möglichkeit für Kommunen, auf Gutachterbasis ohne Bieterwettbewerb zu kaufen. Das ginge allerdings vielen noch nicht weit genug und Kommunen gingen zudem oft von falschen Voraussetzungen aus: „Zu glauben, dass die Erstzugriffsoption eine systemimmanente Verbilligung beinhaltet, ist schlichtweg falsch“, erläuterte der BImA-Vorstandssprecher auf der Messe.
Schon jetzt mahne der Bundesrechnungshof, nicht zu billig zu verkaufen. Dr. Jürgen Gehb: „Mit ‚wirtschaftlicher Veräußerung‘ nach den gesetzlichen Regelungen ist nach wie vor ein Verkauf zum vollem Wert gemeint.“ Mindereinnahmen gingen zudem – dies werde häufig ausgeblendet – zu Lasten des Steuerzahlers. „Bisher fließen 2,7 Milliarden Euro als Abführung von uns in den Bundeshaushalt“, erklärte Dr. Jürgen Gehb. „Und das sollte auch so bleiben, denn wir verwalten das Immobilienvermögen des Bundes treuhänderisch.“
„BImA wird überschätzt“
Unterstützung erhielt der BImA-Vorstandssprecher von Dr. Andreas Mattner, dem Präsidenten des Zentralen Immobilien Ausschusses e.V. (ZIA): „Mein Eindruck ist manchmal, die BImA soll zum Netto-Discounter werden.“ Dabei werde die Immobiliendienstleisterin des Bundes in mancher Hinsicht völlig unterschätzt, in anderer allerdings auch deutlich überschätzt. „Kaum eine Institution hat so viel für die Unterbringung von Flüchtlingen getan“, lobte er. Zu glauben, dass die BImA alle sozial- und wohnungspolitischen Probleme lösen könne, sei falsch. Die Förderung des erwünschten Neubaus zu sozialen Zwecken müsse über andere – beispielsweise steuerliche –Instrumente erfolgen.
Auch Dr. Hans-Peter Uhl stützte als bundespolitischer Vertreter in der Runde den derzeitigen Handlungsrahmen der BImA: „Gerecht ist, was den sozialen Frieden erhält. Wir sollten das BImA-Gesetz so belassen, wie es ist und nicht von der kaufmännischen Liegenschaftsverwaltung abweichen.“ Die Kommunen und dann die Länder seien bei sozial- und wohnungspolitischen Fragen primär gefordert.
Bewährte Zusammenarbeit mit Kommunen
Dr. Jürgen Gehb nutzte die Plattform der EXPO REAL auch, um die gute Zusammenarbeit sowohl mit den Kommunen als auch mit den Privatinvestorinnen und -investoren zu unterstreichen: „Ich möchte ausdrücklich betonen, wie gut sich in unserer zehnjährigen Geschichte die Zusammenarbeit bewährt hat; mit den Kommunen als Trägerinnen der Planungshoheit und mit den Privatinvestorinnen und -investoren als Erwerbsinteressenten.“
Aus Sicht einer Kommune bewertete Schweinfurts Oberbürgermeister Sebastian Remelé die Zusammenarbeit mit der Bundesanstalt: „Wir konnten uns mit der BImA schnell auf den gutachterlichen Wert einigen – da gab es kein Hin und Her. Für uns war die Konversion ein Segen.“ Nachbesserung wünscht dagegen Hilmar von Lojewski, der für den Deutschen Städtetag Position bezog: „Städte wollen nicht kaufen und allein weiterentwickeln. Sie brauchen Partner und müssen an Private verkaufen und Preisnachlässe weitergeben dürfen.“