Neue Heimat für geborgene Wrackteile
Kaiserliches U-Boot U 16
Die geborgenen Wrackteile wurden bereits genau vermessen und dokumentiert (Foto: Deutsches Schifffahrtsmuseum – Leibniz-Institut für Maritime Geschichte (DSM)).
Bonn/Cuxhaven/Hannover, 6. November 2025. Das Schicksal des Anfang September in der Nordsee nahe der Insel Scharhörn geborgenen kaiserlichen U-Bootes U 16 ist geklärt. Das fragile Wrack wird archäologisch untersucht, etwa ein Viertel geht in die Obhut verschiedener Museen.
Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) und die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) hatten sich nach der Bergung schnell darüber geeinigt, die Wrackteile des U-Bootes an geeignete Museen zu übergeben. Eine Kompletterhaltung des Wracks, das in zwei Teilen geborgen wurde, war leider nicht möglich. Die BImA nimmt die Eigentümerinteressen der Bundesrepublik Deutschland an ehemaligem Reichsvermögen auf Grundlage des Art. 134 Grundgesetz (GG) wahr.
Bergung und Sicherung der Wrackteile
Nach erfolgreicher Bergung des U-Bootes U 16 vor Scharhörn im Hamburger Bereich des Küstenmeeres im
Auftrag der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt (GDWS) wurden die Wrackteile zunächst auf
einem Schwimmponton in Cuxhaven sicher verwahrt und für den Weitertransport sowie die museale Nutzung vorbereitet.
Die Bergung war notwendig geworden, da das Wrack durch Unterspülung in die Fahrrinne abzurutschen
drohte. Dort wäre es zu einer Gefahr für die Schifffahrt geworden. Aufgabe der WSV ist es, die Sicherheit
der Wasserstraßen zu gewährleisten.
Eintragung des Wracks als bewegliches Denkmal
Anfang Oktober wurde das Wrack durch das Niedersächsische Landesamt für Denkmalpflege (NLD) als bewegliches Denkmal in das Verzeichnis der Kulturdenkmale eingetragen. Das Wrack markiere insbesondere aufgrund seiner hybriden Antriebstechnik einen rasanten Innovationsschritt in der bereits von Aufrüstung geprägten Militärtechnik des späten Kaiserreichs, steht für die Weiterentwicklung im Ersten Weltkrieg und die im Versailler Vertrag fixierten Reparationsleistungen des Deutschen Reichs und genieße deshalb herausragendes öffentliches Interesse, so die Begründung. Nach Ende des Ersten Weltkriegs sollte das U-Boot auf Befehl der PANAC (Permanent Allied Naval Armistices Commission) ins englische Harwich überführt werden. Dabei sank das Boot im Februar 1919 noch im deutschen Küstenmeer; im offiziellen Bericht wird eine Eiskollision als Ursache angegeben.
Mit der Eintragung als bewegliches Denkmal ist die Denkmalpflege verpflichtend in alle weiteren Prozesse
der Veränderung oder Verwertung des Wracks einzubinden. Verantwortlich ist zunächst die Untere Denkmalschutzbehörde der Stadt Cuxhaven, die bei der Stadtarchäologie angesiedelt ist. Das in Teilen geborgene Wrack war zu fragil und zudem nahezu randvoll mit Sedimenten gefüllt. Große Teile der Außenhaut waren bereits vollständig wegkorrodiert. Das 104 Jahre lang am Grund der Nordsee durch Salzwasser und die Dynamik des Meeres stark in Mitleidenschaft gezogene Wrack stellt die Denkmalpflege und Museen vor große konservatorische Herausforderungen. Nach einer durch Experten unterstützten Entscheidung staatlicher und kommunaler Denkmalpflege wurde einer archäologisch begleiteten Zerlegung zugestimmt und die Dokumentation des Wracks für museale und wissenschaftliche Zwecke beauftragt. Das Verfahren ist einer Rettungsgrabung vergleichbar, in der zum Beispiel mittelalterliche Mauern, Gewölbe und Siedlungsschichten vor ihrer Zerstörung durch eine archäologische Ausgrabung dokumentiert und beprobt werden, bevor das Kaufhaus mit Tiefgarage errichtet werden kann.

Es gibt ein großes Interesse von Museen, Teile des kaiserlichen U-Boots U 16 zu übernehmen und auszustellen (Foto: Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege (NLD)).
Für die Zukunft gesichert
Das Wrack wurde durch die Digitalisierungsspezialisten des Programmbereichs "Schiffe als Wissensspeicher" am Deutschen Schifffahrtsmuseum – Leibniz-Institut für Maritime Geschichte in Bremerhaven hochauflösend dreidimensional erfasst, und NLD, Stadtarchäologie Cuxhaven und Landesarchäologie Hamburg führten die technisch-archäologischen Untersuchungen durch. Die gleichsam chirurgische Vorgehensweise erlaubte den Forschenden nur selten mögliche Einblicke in schiffs- und militärtechnische Details, die einen Mikrokosmos eröffnen, der sich aufgrund militärischer Geheimhaltung seiner schriftlichen Überlieferung weitgehend entzogen hat.
Das museale Interesse daran, U-Bootteile als technik- und zeitgeschichtliche Zeugnisse übernehmen zu können, ist groß. "Wir freuen uns, dass es uns gelungen ist, die zeit- und technikhistorisch höchst interessanten Teile für die Zukunft zu sichern und einem interessierten Publikum zur Verfügung zu stellen", sagt Dirk Hagedorn, Leiter des Geschäftsbereichs Verwaltungsaufgaben bei der BImA.
Übereignung der Wrackteile an Museen
BImA und GDWS entschieden in engem Schulterschluss mit dem Denkmalschutz, wesentliche Teile des
Wracks mit herausragendem Anschauungswert in museale Obhut zu geben und Teile von wissenschaftlicher Bedeutung unterschiedlichen Forschungseinrichtungen für eigene Analysen zur Verfügung zu stellen. Der verbleibende Rest kann dann wie bei einer Rettungsgrabung üblich nach seiner Dokumentation verschrottet werden.
Etwa ein Viertel des U-Bootes wird erhalten. Der mittlere Rumpfteil der U 16 mit Turm inklusive der Innenausstattung der Brücke mit dem Sehrohr, eine der beiden Achtzylinder-Petroleummaschinen und das Hecksegment mit zwei Torpedorohren, der Backbordschraube sowie Höhen- und Seitenruder werden als zu erhaltene Teile des beweglichen Denkmals in dem privat geführten Fahrzeug- und Technikmuseum
Benneckenstein präsentiert und dort auch weiterer Forschung zugänglich gemacht. Das Museum am Fuße
des Brockens in Sachsen-Anhalt hat Erfahrung mit der Organisation von Schwertransporten und verfügt
über den notwendigen Platz zur Ausstellung großer Exponate. "Gebaut 1911, gesunken 1919, gehoben
2025. Weltweit einmalig – ein Stück deutsches Kulturerbe. Ab 2026 können Besucher in meinem Museum
einen Anblick erleben, der sonst nur Wracktauchern vergönnt ist", freut sich Mario Tänzer, der Leiter des
Museums.
Das Militärhistorische Museum der Bundeswehr in Dresden konzentriert sich auf Zeugnisse der Bewaffnung und erhält unter anderem die beiden vorderen Torpedorohre und die Lafette für das 1915 zu Beginn des Krieges nachträglich auf das Vorschiff montierte Bordgeschütz.
Das Deutsche Luftschiff- und Marinefliegermuseum "Aeronauticum" in Nordholz bei Cuxhaven übernimmt
unter anderem ein großes Segment aus der Oberseite des Achterschiffs, das die komplexe Belüftungstechnik zeigt. Das Stadtmuseum in Hagen, das das Erbe der Accumulatoren-Fabrik AFA, der späteren VARTA, bewahrt übernimmt zwei der in Hagen gefertigten riesigen Batterien und Details der Stromversorgung, die in der Sammlung noch fehlen. Museumsleiter Dr. Ralf Blank bezeichnet U 16 als eine "technologische Schatzkammer".
Das Cuxhavener Wrack- und Fischereimuseum "Windstärke 10" wird neben der Ankerkette Kleinteile aus
dem Leben an Bord und einige schiffstechnische Schlüsselobjekte präsentieren. Zudem illustriert ein Gewirr aus am Wrack verfangenem Tauwerk und Fischnetzen das Problem der so genannten Geisternetze.
Die maßgeblich von der Denkmalpflege koordinierte Aufteilung der kleineren Teile auf interessierte Museen erfolgte unter besonderer Berücksichtigung musealer Funktionszusammenhänge und Sammlungskontexte. Zu nennen sind hier zum Beispiel das Deutsche Marinemuseum in Wilhelmshaven, das Internationale Maritime Museum in Hamburg und das Hamburger Museum für Archäologie.
Mehrere Forschungsinstitute werden sich mit einzelnen Wrackteilen befassen
Mehrere Forschungsinstitute werden sich mit einzelnen Teilen beschäftigen. Manche stützen sich ausschließlich auf die digitale Erfassung. Andere untersuchen Proben, um die nicht überlieferte Zusammensetzung der unterschiedlichen verwendeten Materialien zu analysieren. Zu nennen sind hier zum Beispiel die TU Clausthal in Clausthal-Zellerfeld und das Institut für metallische Werkstoffe der Universität Magdeburg. Die Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin übernimmt einige Großobjekte mit Konstruktionsdetails. Um weiterer Forschung und einer breiten Öffentlichkeit den Zugang zu den spannenden Ausstellungsstücken zu ermöglichen, verpflichtet der Bund die Museen, die kleinere und damit mobile Teilen übernehmen, diese Wrackteile auf Anfrage an andere Museen und Institute zu verleihen. Die interessierte Öffentlichkeit hat so die Möglichkeit, die Wrackteile an unterschiedlichen Orten und in verschiedenen Ausstellungskontexten in Augenschein zu nehmen.
Eine Fülle neuer Erkenntnisse
Die bisherigen archäologisch-technischen Untersuchungen an U 16 haben eine Fülle neuer Erkenntnisse
erbracht, die seinerzeit keinen Niederschlag in Archiven gefunden haben, da das Wissen um Bau, Konstruktion, Ausstattung und Bewaffnung geheim war. U 16 bildet als einzig erhaltener Vertreter der serienreif und kriegstauglich entwickelten U-Boot-Reihe den "missing link" zwischen dem kleinen Prototypen U 1 im Deutschen Museum München und den gut erforschten U-Booten des Zweiten Weltkriegs. Es zeigt sich die Vorkriegsoriginalausstattung und die sukzessiven Veränderungen im Laufe des Ersten Weltkrieges, in dem die Rolle der U-Boote sich verändert hat. Das hybride Antriebssystem aus zwei Einheiten "in Reihe" geschalteter Elektromotoren und einer riesigen Petroleummaschine kann bestens studiert werden. Ein Antrieb mit Kohle-Dampfmaschine war zu schwer, Benzinmotoren zu gefährlich und Dieselantriebe noch nicht entwickelt. Spannend sind die Verbundtechniken aus einer Zeit vor der Anwendung von Schweißverfahren im Schiffsbau, die nur durch Nietverbindungen eine druckbeständige Dichtigkeit ermöglichten.
Bemerkenswert ist die Feststellung, dass die Steuerbordschraube nebst Welle ausgebaut war. Der Steuerbordpetroleummotor lag zerlegt in Einzelteilen mit Zylindern, Getriebe und Kurbelstange im Boot. Auffällig ist auch das weitgehende Fehlen von vielen, für den Betrieb entscheidenden Kurbeln. Diese und andere technische Details waren ausgebaut. Das lässt sich nicht mit dem Funktionswandel vom Gefecht in den Ausbildungsbetrieb erklären. Eher liegt die Vermutung nahe, dass die deutsche Marine vor der angeordneten Überführung nach England möglichst viele Teile ausgebaut hat. Das Boot befand sich quasi im Abwrackzustand. Dieser sogar an die Kommission übermittelte Zustand änderte nichts an der Forderung der Briten auf Abgabe. So wurde U 16 von Kiel durch den Kaiser-Wilhelm-Kanal (dem heutigen Nordostseekanal) und die Elbe Richtung Helgoland geschleppt. Dabei lief es langsam aber sicher immer voller mit Wasser. Als vermutlich kalkuliertes Leck ist die Öffnung für die Steuerbordschraube auszumachen. So findet die seitens namhafter Marinehistoriker aufgestellte Vermutung, dass das Boot bewusst versenkt wurde, um eine Übernahme zum Studium der Konstruktionsdetails durch die Engländer zu verhindern, erste Belege.
Man darf gespannt sein auf die Ergebnisse der weiteren Forschung, die in enger interdisziplinärer Zusammenarbeit nach Abschluss der Verteilung der Wrackteile beginnen.